Thursday, 14 August 2014

I SCATTER MYSELF TOO WIDELY FOR THAT – CLAUDE CAHUN

"Jetzt fällt es mir wieder ein, es war Karneval. Ich hatte meine einsamen Stunden damit verbracht, meine Seele zu verhüllen. Die Masken waren so vollkommen, dass es ihnen gelang, sich auf dem Marktplatz des Bewusstseins zu treffen, ohne dass sie sich wiedererkannten. Ihre komische Hässlichkeit verführte mich, ich benutzte meine niedersten Instinkte; ich adoptierte junge Monster und zog sie auf. Aber die Schminke, die ich dazu benutzt hatte, schien nicht mehr abwischbar zu sein. Ich rieb so sehr, um die Haut zu reinigen, dass sie sich ablöste. Und meine Seele hatte wie ein lebendig gehäutetes Gesicht keine menschlichen Züge mehr."
"Now it comes again to my mind, it was a carnival. I had spent my lonely hours with it, to veil my soul. The masks were so perfect, that they were able to meet in the town square of consciousness, without recognizing themselves. Her comical ugliness seduced me, I used my basest instinct: I adopted a young monster and pulled it open. But the make-up, which I had used, seemed to be no longer erasable. I rubbed so hard, to clean the skin, that it came off. And my soul had, like a twisted expression on a face, no longer any human traits."
Was definiert unsere Identität? Ist es das Geschlecht? Das Aussehen? Oder sind es die Masken, die wir tragen? Eine Künstlerin macht sich Anfang des 20. Jahrhunderts auf die Suche nach der Antwort auf diese Frage. Im Alter von 23 Jahren legt sie ihren mädchenhaften Namen ab, gibt sich ein geschlechtsloses Pseudonym, rasiert ihre langen Haare ab und wird zu ihrem Alter Ego Claude Cahun.
What defines our identity? Is it gender? Appearance? Or is it the masks which we wear? At the beginning of the twentieth century an artist set out on the search for the answer to this question. At the age of 23 years old she abandoned her girlish name, experimenting with a genderless pseudonym, shaving her long hair off and becoming her alter ego Claude Cahun.  
Die Surrealistin drückt sich vor allem durch ihre fotografierten Selbstportraits aus, die sie mal mit Collage-Techniken, mal mit Bildbearbeitung verfremdet. Sie spielt Theater, schreibt für Magazine wie die Homosexuellenzeitschrift „L'Amitié“ und verfasst ihre Gedanken in experimentellen Schriften.
Claude Cahun as Le Diable in Le Mystère d'Adam, 1929

The surrealist expressed herself primarily through her self portrait photography, that she distorted times with collage techniques and times with image editing. She acts, writes for magazines like the homosexual newspaper "L'Amitié" and composes her thoughts in experimental writings. 
Auf den Fotos schlüpft sie stets in andere Rollen. Sie spielt einen Mann, sie spielt eine Frau. Will sich selbst aber nicht einordnen. Alles, was sie von sich zeigt, sind ihre Masken, die ein „Ich“ verstecken, das sie nie preisgeben wird. „Ich sehe mich, also bin ich.“ Für die Französin ist es das Selbst, das man sich selbst zuschreibt. Die anderen können hinter die vielen Fassaden nicht blicken.

In the photos she constantly slips into other roles. She plays a man, she plays a women. But not wanting to classify herself. Everything, she shows of herself, are her masks, which hide an 'I', that she will never surrender. "I see, therefore I am." For the French woman it is 'the self', that one ascribes to oneself. The others can not look behind the curtain. 
Als Jüdin, als Frau, als Homosexuelle, als Kommunistin wird sie nie so bekannt wie die Künstler in ihrem Umfeld, André Breton oder Georges Bataille. Sie veröffentlicht nur wenige ihrer Werke, ein großer Teil wird durch die Nazis zerstört. In ihrem lyrischen Hauptwerk „Aveux non avenus“ (Nichtige Bekenntnisse) verarbeitet sie ihr Leben in Fragmenten und Gedankenstücken, beschäftigt sich mit der Frage nach Identität und Authentizität, mit der Trennung von Selbst und Körper.

As a Jew, as a woman, as a homosexual, as a communist she will never be as famous as the artists in her field,  André Breton or Georges Bataille. She published only a little of her work, a big part destroyed by the Nazis. In her lyrical magnum opus "Aveux non avenus" (Inane confessions) she handles her life in fragments and pieces of thoughts, engaging with the question of identity and authenticity, with the separation of self and body. 
Auf einigen ihrer Portraits schaut sie den Betrachter an, fordert ihn auf, in sie hineinzublicken. Auf anderen wirkt sie in sich gekehrt, als würde sie versuchen, sich nun doch endlich selbst zu entdecken. Ein „Ich“ kann niemals festgehalten werden, Cahun glaubt, sie verteilt sich auf zu viele Ebenen. Viel mehr geht es um eine Vielzahl von Ichs, die sie alle auf ihren Fotos darstellt – Spiegel, doppelte Belichtung oder der Zusammenschnitt mehrere Bilder zeigen, dass sie nie nur eins ist. 

„Unter dieser Maske eine andere Maske. Ich werde niemals aufhören, alle diese Gesichter abzuziehen.“

In some of her portraits she looks at an observer, inviting him to look inside. In others she appears to do some soul-searching, as if she is trying to finally discover herself. An 'I'/'self' can never be recorded. Cahun believes, it is distributed over too many levels. Rather, it comes to a multiplicity of self, all of which she is in her photos- mirrors, double exposure or the contemplation of several pictures, show that she is never just one.



"Under these masks, another mask. I will never cease to remove these faces."

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